Ein Brief vom Steuerberater: eine Stilkritik

Mein Steuerberater, den ich fachlich und menschlich sehr schätze, nimmt mir viel Arbeit ab, die ich als lästig und unangenehm empfinde. Nicht zuletzt sind Steuersachen so unangenehm, weil die Sprache, in der die Steuergesetzgebung, die Schreiben des Bundesfinanzministeriums und der Finanzämter abgefasst sind, sperrig bis unverständlich ist.

Ein Brief vom Steuerberater

Dies färbt offenbar auf alle ab, die sich beruflich mit Steuern befassen. Nachdem meine letzte Steuererklärung fertig war, bekam ich die Unterlagen nämlich mit folgendem Begleitschreiben zurück:

Steuererklärungen werden von uns beim Finanzamt eingereicht.

Wir bitten Sie um Rücksendung des Kontrolldrucks der Steuererklärungen nach Durchsicht, Richtigbefund und Unterzeichnung.

Stets gerne zu Ihren Diensten verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Als Mandantin habe ich mich natürlich darüber gefreut, dass mein Steuerberater mir gerne „zu Diensten“ ist, und das auch noch „stets““ 🙂

Als berufsbedingt sprachkritischer Briefprofi habe ich mich auch gefreut: Ein so schönes Beispiel für ein umständliches, steifes und floskeliges Schreiben hätte ich mir selbst gar nicht ausdenken können.

Und jetzt die Stilkritik

Drei Sätze, drei „Behördendeutsch-Sünden“:

  1. Passivkonstruktion – dabei nimmt mir die Kanzlei hier doch ganz aktiv Arbeit ab!
  2. Nominalstil – sechs Substantive in einem 14-Wörter-Satz sind ganz schön viel und das Wort „Richtigbefund“ findet sich nicht ohne Grund in keinem Wörterbuch …
  3. Veraltete Floskel – auch Dienstleister müssen sich nicht zum stets verfügbaren Diener machen.

Meckern ist natürlich einfach. Aber wie könnte man es besser machen?

So könnte der Brief vom Steuerberater in aktive und frische Sprache übersetzt werden:

Die Steuererklärungen reichen wir für Sie beim Finanzamt ein.

Bitte sehen Sie den Kontrolldruck Ihrer Steuererklärungen durch. Falls alle Angaben stimmen, unterschreiben Sie ihn bitte und senden ihn anschließend an uns zurück. Falls etwas nicht stimmt oder Sie Fragen haben, rufen Sie uns einfach an.

Mit freundlichen Grüßen


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Kommentare

9 Antworten zu „Ein Brief vom Steuerberater: eine Stilkritik“

  1. […] Ein Brief vom Steuerberater: eine Stilkritik | http://www.diebriefprofis-blog.de gesehen bei Angela Hamatschek […]

  2. Jenny Eckhardt

    Danke für den ausführlichen Beitrag. Ich habe seit vier Jahren denselben Steuerberater und wir haben mittlerweile eine Art Beziehung aufgebaut. Egal welche Probleme man mit den Steuern hat, ich habe stets eine Ansprechperson an die ich mich wenden kann.

  3. Schön zu lesender Beitrag. Ich kenne es auch als Steuerberater, manche Sachen könnten echt besser formuliert werden. Da sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden! Danke für den Tipp. Liebe Grüße Michael Keulemann von der ASK Steuerberatung Hannover.

  4. Schön, dass du so zufrieden bist. Ich bin selbst Steuerberater und freue mich immer allgemein zu hören, wenn es zufrieden Kunden gibt. Beste Grüße aus Hannover! Michael Keulemann ASK Steuerberatung

    1. Barbara

      Ja, ich bin sehr zufrieden mit meinem Steuerberater, sowohl fachlich als auch menschlich. Stilistisch hat er halt seine Schwächen, aber die beschäftigen mich in erster Linie als Briefprofi, nicht als Kundin. Trotzdem finde ich es schön, wenn mitlesende Steuerberater sich durch diesen Beitrag dazu inspiriert fühlen, an ihren Formulierungen zu feilen 🙂

  5. Danke für dieses lustige Beispiel von Stilfehlern. Ich finde es auch lustig zu sehen, wie Beamte kommunizieren. Die Formulierungen sind unangenehm und fast grammatisch falsch.

    1. Barbara

      Wie ich oben geschrieben habe: Ich schätze meinen Steuerberater sehr, aber dieser Brief ist wirklich ein perfektes Beispiel dafür, wie man NICHT schreiben sollte.

  6. Man kann eben viele Sachen vereinfachen und den Menschen erklären. Besonders bei der Steuerberatung gibt es viele Begriffe, die nicht gerade einfach sind, und die nicht jeder kennt.

    1. Barbara

      Ja, das sehen wir auch so!

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