Er liegt schon eine Weile auf meinem Schreibtisch, der neue Duden 2020. Versehen mit einem Superlativ: Es ist der dickste Duden, den es je gab. 148.000 Stichwörter enthält er, 3.000 mehr als es in der letzten Ausgabe 2017 waren. Sogar 30.000 Stichwörter mehr als in der 20. Auflage im Jahr 1991.
Das zeigt, dass wir uns um die Zukunft der deutschen Sprache nicht zu sorgen brauchen: Unsere Sprache lebt, denn sie wird laufend durch neue Wörter bereichert.
Welche Bedeutung der Duden heute noch hat
Früher einmal war der Duden die normgebende Instanz zur deutschen Rechtschreibung. Die Duden-Redaktion entschied, welche Schreibweisen richtig waren und welche falsch. Das hat sich 2004 geändert, als der Rat für deutsche Rechtschreibung gegründet wurde. Seitdem ist der Duden einerseits entmachtet, denn was als korrekte Schreibweise gilt, steht jetzt im jeweils aktuellen amtlichen Regelwerk und Wörterverzeichnis, die der Rechtschreibrat festlegt.
Andererseits leistet die Duden-Redaktion etwas, das der Rechtschreibrat so nicht kann: Sie sammelt und sichtet die neuen Wörter, die laufend entstehen. Diejenigen Begriffe, die in den täglichen Sprachgebrauch übergehen, finden Eingang in den nächsten Band. Wörter, die üblicherweise nicht mehr verwendet werden, werden dafür gestrichen.
Damit liefert der Duden eine umfassende und aktuelle Zusammenstellung der tatsächlich gesprochenen und geschriebenen Wörter. Nicht umsonst galt beim Scrabble schon immer: Was nicht im Duden steht, gilt nicht als „richtiges“ Wort.
Was die korrekten Schreibweisen angeht, gibt es im Rahmen der derzeit gültigen Rechtschreibregeln oft mehrere Varianten. Das erlaubt einerseits einen gewissen Freiraum, zwingt aber andererseits dazu, sich für eine Schreibweise zu entscheiden. Da sind die gelb unterlegten Empfehlungen der Duden-Redaktion hilfreich; auch viele Verlage richten sich danach. Im Zweifelsfall liegen Sie also mit der vom Duden empfohlenen Schreibweise immer richtig – insofern hat sich also im Vergleich zur Zeit vor 2004 nichts geändert.
Muss man den Duden heute noch als Buch kaufen?
Nicht unbedingt, denn man kann Begriffe auch online auf der Duden-Website nachschlagen. Gerade wenn es um Wörter geht, die in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich geschrieben werden (groß/klein, getrennt/zusammen), finde ich das Blättern im Buch aber deutlich ergiebiger. Zu diesen Wörtern gibt es nämlich oft Übersichtskästen mit allen gängigen Kombinationen.
Auch sonst finde ich beim Blättern immer wieder Wörter, die ich sonst gar nicht gesucht hätte. Das ist ein Vergnügen, das ich nicht missen möchte 🙂
Das ist neu im Duden 2020
Gestrichen wurden vor allem Wörter, die kaum jemand vermissen wird. Etwa der Hackenporsche (ein Einkaufstrolley), die Vorführdame (ein Model) und die Fernsprechgebühr samt dem Fernsprechgeheimnis.
Im Gegenzug stehen im neuen Duden etliche Begriffe, die es noch nicht sehr lange gibt, die sich aber schnell verbreitet haben. Damit wird der Duden zum Spiegel technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. So steht 2020 der Influencer vor der Influenza.
Wo wir gerade bei Krankheiten sind: 2017 gab es im Duden zwar eine Ansteckungsgefahr, aber noch keine Ansteckungskette und erst recht kein Covid-19 (beides 2020 neu aufgenommen). Falls diese Wörter in der nächsten Auflage mangels Aktualität wieder gestrichen werden sollten, würde ich sie nicht vermissen …
Sehr interessant finde ich auch die drei neu eingefügten Seiten, die sich mit dem geschlechtergerechten Sprachgebrauch befassen. Hier stellt die Redaktion die unterschiedlichen Möglichkeiten vor, die es im Deutschen dafür gibt. Ihrer Rolle als Sprach-Beobachterin entsprechend hält sie nüchtern fest, dass die Schreibungen mit Binnen-I, Schrägstrich, Genderstern und Unterstrich nicht dem amtlichen Regelwerk entsprechen, dass sich aber der Genderstern „in der Schreibpraxis immer mehr durchsetzt“. Im Duden 2017 gab es den Genderstern noch gar nicht. 2020 ist er natürlich drin. Mal sehen, was der Rat für deutsche Rechtschreibung in den nächsten Jahren dazu entscheidet. Es bleibt spannend.
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